09.02.2018, BKH Schwaz
Treffen gute Schneeverhältnisse und Sonnenschein mit Ferientagen zusammen, dann wird es voll auf Tirols Skipisten. Doch nicht nur auf den Pisten, nein, leider auch in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Wie sich das BKH Schwaz jedes Jahr auf die verunfallten Wintersportler vorbereitet, welche Ausrüstung vor schweren Verletzungen schützt und wie manche Unfälle vermeidbar wären, darüber spricht Prim. Dr. Markus Reichkendler, Leiter der Abteilung Orthopädie und Traumatologie, in unserem Blog.
Der Materialverbrauch in der Versorgung ist beeindruckend – rund 25 Kilometer Gipsbinden werden in der Wintersaison „vergipst“.
25 KILOMETER GIPSBINDEN
Als Bezirkskrankenhaus in einer Tourismusregion ist das BKH Schwaz auf verunfallte Wintersportler vorbereitet. Personal- und OP-Kapazitäten wurden im Laufe der Jahre darauf eingestellt: „Von Saisonstart bis Ostern haben wir ein zusätzliches Anästhesie-Team im Einsatz, in der Hochsaison zwischen Weihnachten und Dreikönig finden kaum geplante Operationen statt und die OP-Zeiten weiten wir bis in die Abendstunden aus“, beschreibt Prim. Dr. Markus Reichkendler die organisatorischen Maßnahmen.Aus dem Skischuh ins Gipsbein: Der Materialverbrauch in der Versorgung ist beeindruckend – rund 25 Kilometer Gipsbinden werden in der Wintersaison „vergipst“.
„Am häufigsten operieren wir Frakturen an den unteren Extremitäten, also Oberschenkelhals- und Schaftfrakturen, Schienbeinkopf- und Unterschenkelbrüche“, so der Experte. „Bei Snowboardern sind zusätzlich die Oberarme und das Schlüsselbein mehr gefährdet. Aufgrund der tollen Schneeverhältnisse wurden heuer bislang glücklicherweise weniger „schwere“ Verletzungen eingeliefert.“
WINTER IST NICHT GLEICH WINTER
Die Schneeverhältnisse spielen also nicht nur für die Liftbetreiber eine Rolle, sie sind auch für die Ärzte von Bedeutung: „Harte Pisten und Kunstschnee beeinflussen die Verletzungsmuster bei Stürzen“, weiß Dr. Reichkendler. „Ohne Schnee sind alte Baumstümpfe bei Stürzen über den Pistenrand plötzlich eine viel größere Gefahr, so wie das Verletzungsrisiko bei Stürzen auf der Eis-Piste größer ist als auf einer ‚weichen‘ Piste. Letztes Jahr war ein sehr schneearmer Winter, da hatten wir deutlich mehr Rippenbrüche und Lungenblutungen als heuer.“ Auch Wirbelsäulenverletzungen (diese werden an der Univ.-Klinik für Unfallchirurgie Innsbruck operativ versorgt) sind bei guter Schneelage seltener.
AUSRÜSTUNG UND RISIKOVERMEIDUNG
Neben gut eingestellten Skiern und Schuhen gehören auch Sturzhelme inzwischen zur Standardausrüstung der Wintersportler. Und das ist auch gut so, bestätigt der Unfallchirurg: „Schwere Schädelverletzungen, auch mit tödlichem Ausgang, kamen früher häufiger vor. Die Verwendung des Helms in der breiten Masse hat das statistisch betrachtet deutlich reduziert – schwere Schädel-Hirn-Traumata sind selten geworden.“
Das würden sich die Experten auch für Wirbelsäulenverletzungen wünschen. Rückenprotektoren sind zwar inzwischen auch für Freizeitsportler erschwinglich, haben sich aber noch nicht so etabliert wie der Ski-Helm. „Aus ärztlicher Sicht wäre es sehr wünschenswert, wenn sich auch die Rückenprotektoren durchsetzen, da sie das Risiko für gewisse Verletzungen verringern können. Rückenverletzungen sind leider oft auch viel langwieriger in der Genesung als ein ‚Arm- oder Beinbruch‘. Monatelanger Arbeitsausfall, Therapien und die Gefahr chronischer Schmerzen – die Folgen sind nicht nur für Betroffene extrem. Auch manche Belastungen für das Gesundheitssystem wären dadurch vermeidbar“.
Am meisten Verletzte werden übrigens nachmittags in die Notaufnahme eingeliefert. Nicht, weil dann mehr Menschen Schifahren, sondern weil viele dann schon müde sind. „Müdigkeit und Erschöpfung erhöhen das Unfallrisiko“, Prim. Markus Reichkendler empfiehlt deshalb, sich körperlich schon vor dem ersten Schnee eine gewisse Grundkondition und Koordination aufzubauen und es langsam anzugehen. “Lieber einen Schipass nicht bis zur letzten Bergfahrt ausnutzen und dafür unverletzt runter vom Berg“. Alkohol wird leider auf der Piste auch oft unterschätzt und sollte deshalb immer erst konsumiert werden, wenn die „Bretter“ abgeschnallt sind. Nicht umsonst heißt es ja „Aprés Ski“.
Zum Start der Semesterferien wünscht das Team des BKH Schwaz viel Spaß beim Sport im Schnee und ein möglichst unfallfreies Saison-Finale!
https://www.kh-schwaz.at/de/teams-experten/orthopaedie-traumatologie
https://www.tirol-kliniken.at/page.cfm?vpath=standorte/landeskrankenhaus-innsbruck
Experte:
Vorstand der Abteilung für Orthopädie und Traumatologie
FA für Orthopädie und orthopädische Chirurgie
FA für Unfallchirurgie